Gespräch auf dem Sofa

Gespräch auf dem Sofa

Oh ja, ich habe Visionen! Tolle Ideen und Projekte für mein Leben!

Was kam mir da schon alles in den Sinn. Mit Behinderten zu arbeiten (so wie einst als Jugendliche in der Selbsthilfegruppe meines Vaters), ein Pflegekind aufnehmen, Missionsreisen zu unternehmen, ein Buch zu schreiben, Psychologie zu studieren oder wenigstens wieder mehr Fortbildungen in der Seelsorge zu besuchen und und und…

Statt dessen lag ich mal wieder auf dem Sofa. „Kleine Auszeit“ oder „Pause“ nenne ich es an Tagen, wo ich mit mir und mit den Umständen im Reinen bin. „Bremsklotz“ und „Frustzeit“, wenn ich mal wieder von meinen undefinirbaren Symptomen heimgesucht werde, die meine chronischen Krankheiten mit sich bringen.

So wie an jenem Tag. Genervt nestelte ich an meiner Decke und nahm leicht angewidert den Beutel aus meinem Kräutertee.

„Ich tue immer nur das Nächstliegende!“, seufzte ich bei einer Freundin am Telefon. „Ich würde so gerne mal wieder an einem großen zusammenhängen Projekt arbeiten! Doch meine Kraft reicht einfach nicht, um so durchgängig an einem Projekt zu Arbeiten, das ich nicht jedes Mal den roten Faden verliere. Mich dann immer wieder neu in die Materie hineinzufuchsen, ist so aufwendig, das ich wochenlang auf der Stelle trete bis die Luft raus ist”, klagte ich weiter.

Nur wer im Kleinen treu ist, wird es auch im Großen sein. Wenn ihr bei kleinen Dingen unzuverlässig seid, werdet ihr es auch bei großen sein.

(Lukas 16,10 HfA)

In mir meldete sich diese böse kleine Stimme zu Wort: „Nun, da wirst du wohl nicht besonders treu im Kleinen sein, denn das Große wird dir ja nicht anvertraut!“

Ist das so?

Traut mir Gott nur den „Kleinkram“ zu?

Vor mir sah ich meine vielen Visionen und Ideen in der Vergangenheit, die zu großen Projekten hätten werden können, oder nicht gescheitert wären, wenn ich doch nur etwas stärker und gesünder (gewesen) wäre.

Das Klingeln des Telefons ließ mich aus meinen traurigen Gedanken aufschrecken. „Danke, danke, danke!“, freute sich eine Damenstimme am anderen Ende der Leitung. Es ist Elsbeth aus der Gemeinde, der ich eine Postkarte schrieb. „Dass du immer wieder an mich denkst und mir einen Gruß zukommen lässt, das freut mich soooo sehr!“, schwärmte sie weiter. Wir reden noch ein wenig über ihre Termine beim Arzt und das ihr Knieleiden so schlimm geworden sei, das sie wohl in Kürze einen Rollator bräuchte. Mit gegenseitigen Segenswünschen beendeten wir das Gespräch.

„Ja ja, mein Kartensegen!“, seufzte ich. Das wäre zum Beispiel so ein Projekt gewesen, was hätte groß werden können, jedoch im Keim (besser gesagt im Coronavirus) erstickt wurde. Ich hatte alles in unserer Gemeinde angeleiert, gründete eine Gruppe, der sich sogar schon die eine oder andere Frau anschloss, um in Zukunft Kartensegen an Mitmenschen zu schreiben. Hier entstand Potential zu etwas Großen und was ist draus geworden? Meine Gesundheit und der Coronavirus verhinderte weiteres Engagement von mir und von den anderen und die Aktion verlief im Sande.

Aus den Augenwinkeln nahm ich wahr, wie sich jemand zu mir setzte. Er hatte sich auch diesen wenig schmackhaften Kräutertee aufgebrüht – vielleicht aus Solidarität – und schlürfte vorsichtig daran.

Nach einer Weile schaute er mich an und in seiner bedächtigen Art, wie ich sie aus der Bibel her kenne, setzte er zum Sprechen an:

„Sandra, zum Einen ist dein Kartensegen nicht gestorben!“

Dabei schob er mir mein kleines Ringbuch zu, in dem ich mir immer wieder mal Notizen machte, wem ich wann was schrieb und auch das eine oder andere Feedback der Menschen.

Hier geht Segen von aus

„Schau mal“, sagte er und zeigte mit dem Finger auf ein Datum.

„Juni 2017“, las ich.

„Genau! Seit Juni 2017 existiert nun dein Kartensegen und seitdem hast du so vielen Menschen einen Segensgruß im Briefkasten finden lassen.“

Dann blätterte er durch die Seiten. 2018, 2019, 2020, 2021 und auch schon 2022…. mal mehr, mal weniger Einträge aber schlussendlich konsequente “Bewegung”.

„Ja schon“, wiegelte ich etwas unwirsch ab. „Ich hätte aber noch so viel mehr tun können. Mein Kartensegen sollte etwas Großes werden. Gewissermaßen ein Ort der Begegnung – sei es persönlich, durchs Telefon, den sozialen Medien und auch meinen Karten“, führte ich aus.

„Weisst du“ setzte ich etwas unbeholfen an, „ es ist mir ein bisschen unangenehm, aber manchmal frustrieren mich all diese Menschen in den sozialen Medien, die von ihren großen Projekten schwärmen. Und fast immer erzählen sie davon, wie sie „Klein“ anfingen und dann tat Gott ein Wunder und zack war das Projekt zu etwas „Großem“ angewachsen. „Du musst nur an dich glauben“, ist ihr Schlussplädoyer.

Ich merkte wie meine Stimme zum Schluss einen Hauch schriller und heftiger wurde. Entschuldige Jesus!“, raunte ich etwas zerknirscht, „es macht mich eben ab und an wütend.”

Jesus nahm doch tatsächlich noch einen Schluck von diesem widerlichen Kräutertee. Meinen hatte ich schon lange mit Nichtachtung gestraft.

Er hielt seine Tasse in beiden Händen. „Sandra, wie ich eingangs sagte, dein Kartensegen ist nicht gestorben. In deiner Lebensphase ist jede Karte, jedes Telefonat, jeder Gruß eine große Sache.“

In meiner Lebensphase? Davon schrieb doch letztens Christina Schöffler in dem Beitrag. „Vergleichen wir uns!“ (Lydia 17/2022). Da schreibt sie davon, das wir Menschen zum einen eine gottgegebene „Grundform“ haben. Und wenn dann noch chronische Krankheiten oder schwierige Umstände dazu kommen, kann diese „Grundform“ auch noch ein wenig schrumpfen. Und das tangiert dann wohl auch ein Stück weit unsere Leistungsfähigkeit.

„Und jetzt kommt aber das Wichtigste Sandra“, sprach Jesus in meine Gedanken: „Identifiziere dich nicht mit dem was du TUST, sonder mit dem wer du BIST!“

Wer bist du?

Wie heisst es doch schon im ersten Satz des Glaubensbekenntnisses von Hour of Power:

“Ich bin nicht was ich TUE” und 4 Zeilen weiter: “Ich BIN ein geliebtes Kind Gottes!” Durch eine Suche der Identität im TUN wird eine Identität im SEIN.

Hier nochmal im Ganzen:

Ich bin nicht was ich tue.

Ich bin nicht, was ich habe.

Ich bin nicht, was andere über mich sagen.

Ich bin ein geliebtes Kind Gottes.

Das ist es, was ich bin.

Niemand kann mir das nehmen.

Ich brauche mich nicht zu sorgen.

Ich muss nicht hetzen.

Ich kann meinem Freund Jesus vertrauen

und seine Liebe mit der Welt teilen.

Amen.

Ich bin ein geliebtes Kind Gottes!“

Hour of Power, Glaubensbekenntnis

Und mit dieser Identität, geht es mir in erster Linie darum Beziehungen zu leben.

Beziehung zu Gott, zu mir selbst (#Selbstfürsorge) , zu meinen Mitmenschen …

Bei Wind und Wetter unterwegs

..und ja sogar zu meinem Hund.

“Jetzt habe ich ja wieder eine Menge zum Durchdenken“, lachte ich.

„Du hast doch selbst einmal davon geschrieben, das du das Leben leiser feiern möchtest!“, erinnerte mich Jesus an meine eigenen Worte. „Dann feiere es, mal laut oder auch mal leiser!“, motivierte mich Jesus, „und denk daran:

„Wer in mir bleibt und ich in ihm, der bringt viel Frucht!“”

(Johannes 15,5b)

„Übrigens“, strahlte er „du sprachst davon an einem “großen zusammenhängenden Projekt” arbeiten zu wollen. Na das tust du doch schon!

Du arbeitest an dem “großen zusammenhängenden Projekt Gottes” als Nachfolger von mir, Jesus!“

Da hat er wohl recht.

Was kann es denn Größeres geben?

Herzlichst, Sandra

Ein Gedanke zu „Gespräch auf dem Sofa

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