Mitten im Leben sitzen

Mitten im Leben sitzen

„Leise, ich will das jetzt hören“, brummte ich meinen Mann an, der mir gerade etwas mitteilen wollte. „Was denn“, fragte er und ich sah aus den Augenwinkeln wie er irritiert in der Bewegung verharrte und angestrengt lauschte. „Meine Stimmen im Kopf“, antwortete ich und bedauerte augenblicklich meine ungeschickte Formulierung. „Aha!“, entgegnete mein Mann in dem Tonfall in dem er reagiert, wenn er mich  – sagen wir – befremdlich findet. Ich rettete meinen Geisteszustand: „Ich meine die Worte… ich will die Worte hören, die sich gerade alle einen Weg aus meinem Kopf aufs Papier bahnen wollen. Mensch, ich möchte schreiben!“  Etwas ungelenk –  im Rückwärtsgang – verließ mein Mann die Schreibstube.

„Türe zu!“ rief ich noch. Die Tür fiel ins Schloss. Stille! Ich starrte auf die weiße Oberfläche meines Computers und wartete. Vieles ging mir durch den Kopf. Ich muss das Fleisch fürs Mittagessen noch rauslegen, Flake braucht noch neues Hundefutter, ich muss noch… Wie kann ich das Lebensgefühl der letzten Wochen hier einfangen, überlegte ich. Mir war, als hätte mein Mann beim Rausgehen alle meine gewichtigen Worte mitgenommen. Zurück blieben Hundefutter und Mittagessen. Toll!  Als ich schon fast resignieren wollte, merkte ich was hier fehlte.

Ich kann meine Schreibphase am Besten einläuten, wenn meine Kaffeemaschine vorher wie ein kleiner Dache zischt und meinen Latte Macchiato zaubert. Schön heiß und dampfend im Thermoglas.

„Mist“, muffelte ich vor mich hin. „Alle Thermogläser sind in der Spülmaschine!“ Das gibt ein Minuspunkt, würde mein Vater an dieser Stelle sagen, denn den Latte aus einem normalen Glas zu trinken schmälert den Genuss. Ich holte statt dessen das große Glas aus dem Schrank – das, wo der Hersteller in großen Lettern Latte Macchiato drauf druckte. Dieses Design kann leider nicht darüber hinweg täuschen, das dieses Glas mein Heißgetränk nicht optimal warm hält.

Nun gut. Der Latte dampfte… mein Gehirn qualmte….

Ausgezeichnet! Die ersten Worte spannten ihren Fallschirm auf, glitten behutsam auf den Bildschirm und erzählten etwas von fluffigen Wolken und neuer Lebensfreude.

Seid einigen Wochen bin ich nämlich wieder erfolgreich unter die „Maler“ gegangen. Ich habe gute Pinsel gefunden, schöne weiße Farbe, eine Leiter und sogar den einen oder anderen Ermutiger, der selbige gehalten hat. Meine dunkle Wolke leuchtet wieder ziemlich weiß und fluffig. (Wer jetzt nur Bahnhof oder Hauptbahnhof versteht, den empfehle ich mal kurz hierhin zu hüpfen 🙂 )

Endlich stehe (laufe) ich wieder mit beiden Beinen im Leben.

Der Hund dreht sich morgens vor Freude ausladend im Kreis und bringt dabei den Schirmständer in eine gefährliche Schieflage. Ich bin mir sicher, das Flake sich besonders freut, das ich wieder mehr mit ihm laufe. Ich habe diese besonderen Leckerchen dabei. Dafür braucht er nur ein wenig manierlich neben mir her laufen und den Fiffi, der uns frech bellend entgegen kommt, nicht in dem Glauben lassen, seine Vorspeise zu sein. So ist der Deal.

Kürzlich lief ich „meine“ Runde an den Bahnschienen entlang. Da spazierte ich schon länger nicht mehr her. Auf halber Strecke traute ich meinen Augen nicht. Wie sehr habe ich mir das gewünscht. So sehr, das es mir des Öfteren ein Gebet wert war. Zwischen all den Heilungsgebeten und den großen Wunschgebeten der Menschheit, lag mein kleines Gebet auf Jesu Schreibtisch: „Ich wünsche mir eine Bank auf meinem Bahnschienenweg! Amen!“ Vor der letzten Ecke, da wo der Wald nochmal etwas dichter wir, stand sie. Frisch montiert, mit neuen hellen Holzplanken drauf:

Meine Gebetserhörung!

Gebetserhörung - meine Bank - im Leben sitzen
Gebetserhörung – meine Bank – mitten im Leben sitzen

Eine wunderschöne Parkbank. Sitzprobe! Ich wischte einige Tannennadeln zur Seite, setzte mich und schaute „Probe“. Herrlich!!!! Gegenüber sah ich diesen Baumstumpf. Er musste unlängst als Model für schwere Lebensphasen hinhalten. Ich finde es interessant, das Jesus “meine” Bank” genau gegenüber montieren ließ. Zweifel und Hoffnung stehen sich gegenüber.

Baumstumpf - im Leben sitzen
Baumstumpf – mitten im Leben sitzen

Ich freue mich. Dies ist ein wunderschöner Ort um im Leben zu sitzen.

Ich muss nicht immer mit beiden Beinen im Leben STEHEN. Ich darf auch im Leben SITZEN.

Zum Beispiel auf dieser Bank. Zu Hause sitze ich gerne mit einem frisch aufgebrühten Latte Macchiato (im Thermoglas) in meiner Lieblingsecke. Rückzug – um meine Gedanken und Gefühle zu reflektieren und auch um mir meine erforderlichen gesundheitlichen Ruhepausen zu gönnen. Dabei habe ich gerne mein Tagebuch und Jesus um mich.

An diesem Vormittag hätte ich noch länger auf dieser Bank weilen können. Mein Hund schaute mich erwartungsvoll an. Er wollte weiter laufen. Eine Frau kam uns ein paar Hundefährten später entgegen. In ihrer Hand hielt sie ein großes buntes Blatt – ein erster Herbstbote. „Das werde ich trocknen und dann etwas Schönes draus basteln“, freute sie sich. Ich erzählte ihr von der Bank und teilte dieses Glück mit ihr.

Wie schön, bunte Blätter und Parkbänke – Schätze mitten im Leben; stehend und sitzend.

♥-lichst, Sandra

4 Gedanken zu „Mitten im Leben sitzen

  1. Diese dunklen Wolken kenne ich leider auch! Mal sind sie nicht da – aber auch nicht wirklich weg – und mal tauchen sie aus dem Nichts auf! Heute leider auch wieder, das braucht dann einen Auslöser und schon sind sie da!

    Aber man muss das Schöne im Leben suchen, wie diese Bank oder ein buntes Herbstblatt! Hier hab ich noch keins gesehen! Wegen mir könnte der Sommer bleiben!

    Liebe Grüße
    Jana

  2. Ich finde deinen Text richtig schön und als jemand, der auch sehr gerne schreibt, kann ich das richtig gut nachvollziehen. Manchmal habe ich tausend Ideen und Worte im Kopf, aber keine Zeit oder kein Papier. Und an anderen Tagen sitze ich wie du vor einem weißen Blatt, habe Zeit, aber nichts fällt mir ein.

    Liebe Grüße,
    Carmen 🙂

  3. Liebe Sandra,
    Bänke – Ruheplätze – Zeit zum Nachdenken. So wie bei deiner Bank an der Ostsee. Wir haben – auf deinen Bericht hin im vergangenen Sommer 2018 – uns einen Urlaub im Schlossgut Groß Schwanes gegönnt und wurden reich gesegnet. Gott hatte uns bis auf zwei nassere Tage wirklich noch 12 weitere sonnige Tage geschenkt. Ruhe pur, Naturstrand, herrliches Wetter, tolles Hotel. Nochmal vielen Dank für diesen Bericht – auch wenn das Schlossgut nur “nebenbei” erwähnt wurde – für uns ein Hinweis von unserem herrlichen Schöpfer!

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